«Kirche ist da, wo Menschen sind. Mir ist es ein Anliegen, dass sie sich nicht zurückzieht.» Ziemlich schnell nennt Daniel Krebs in einem längeren Gespräch, was ihm mit Blick auf die Corona-Krise am wichtigsten ist. Der Leiter der Sozialdiakonie der Kirchgemeinde Bümpliz wird im Herbst pensioniert und blickt auf eine lange Erfahrung zurück. «Alles ist völlig verändert bei unserer Arbeit. Und dass das Sonntagscafé, der Mittagstisch und Tischlein-deck-dich geschlossen sind, bewegt mich sehr.»
Die Situation betreffe auch viele der 50 Freiwilligen. Dieser Bereich habe völlig neu organisiert werden müssen mit jüngeren Leuten, da die meisten über 65-jährig seien, sagt Krebs. «Glücklicherweise konnten wir uns dem System der SP Bümpliz anschliessen, die früh etwas auf die Beine stellte.» Krebs hofft nun, dass die Solidarität von der jüngeren für die ältere Bevölkerung andauert und wächst – «das wäre toll!»
Ansturm noch erwartet
In der Sozialberatung zeige sich schon jetzt, dass es für viele Menschen, die ohnehin schon wenig haben, schwierig ist. «Den Ansturm erwarte ich aber noch, wenn Personen mit Kurzarbeit und weggefallenen Zusatzverdiensten die Rechnungen nicht mehr bezahlen können», sagt der Sozialarbeiter. Ebenso werde es viele Migrantinnen und Migranten treffen, die sich oftmals deutlich unterhalb des Existenzminimums bewegten, weil sie nicht Sozialhilfe beantragen wollten.
In der Kirchgemeinde Nydegg ist das weniger ein Problem, sagt die Sozialarbeiterin Lilian ter Meer. Doch auch in diesem Mittelstandsquartier gebe es Fälle, wo finanzielle Sorgen existenziell werden. «Bei einer Frau ist der Job weggefallen, 900 Franken im Monat fehlen.» Solche Situationen seien dann doppelt prekär: Häufig pressiere es und könne nicht so gründlich abgeklärt werden. Zwar könne vieles über Mail und Telefon abgewickelt werden, sagt ter Meer. «Aber auch kurze Kontakte auf Distanz sind wichtig.» Übers Ganze gesehen, müsse man sich bewusst sein, dass Kirchen und Hilfswerke nur begrenzt Nothilfe leisten könnten.
Gut versorgte Senioren
Noch stärker als in der Sozialberatung stehen bei Franziska Grogg direkte Begegnungen im Zentrum. Sie ist zuständig für die Seniorenarbeit bei der Kirchgemeinde Petrus. Die sehr alten Leute hätten kaum Social Media oder Mail, oft nicht einmal einen Computer. «Häufig erschwert Schwerhörigkeit noch die Kommunikation per Telefon.» Sie suche in ihrem völlig veränderten Arbeitsalltag daher alternative Formen, sagt Grogg – und schreibt Briefe mit schönen alten Fotos, Gedichten sowie Rezepten der Kochenden vom Mittagstisch. Die meisten Senioren seien aber gut versorgt, wie sie sagten. Wo nicht, wird geholfen: «Die Hilfsbereitschaft im Quartier ist gross.»
Dass Einsame den Kontakt per Telefon schätzen, erfährt auch Regula Rhyner. Die Arbeit der Sozialdiakonin der Kirchgemeinde Heiliggeist sei auf einen Schlag anders geworden, berichtet sie. Anlässe für die Jugend und Generationenprojekte gebe es kaum mehr.
Die Chance der Zeit
Rhyner springt dafür im Präsenzdienst in der Offenen Kirche ein. Die zentralste Kirche Berns beim Hauptbahnhof ist weiterhin geöffnet. Aber die Freiwilligen, die sonst für Besuchende da sind, gehören altersmässig zur Risikogruppe. Der Dienst sei jedoch eine wichtige Sache, findet Rhyner. «Die Personen, die uns aufsuchen, beschäftigt die Lage.» Manche hätten finanzielle Probleme, Ängste und Sorgen, manchen fehle emotionale Nähe oder einfach Gemeinschaft.
Auf der anderen Seite sieht Regula Rhyner auch die Chance der Situation. «Ich habe Zeit. So kann ich Leute enger begleiten, selbst wenn es per Telefon ist. Es eröffnet Kapazitäten und eine Konzentration, die den Austausch tief und intensiv macht.» Das sei überaus wichtig und eine Chance für die Kirche: Einfach da zu sein, Hoffnung zu schenken. «Wir müssen schauen, dass das auch nach Corona weitergeht», sagt Rhyner.